KostNixLaden startet erfolgreich ins neue Jahr und neue Räume

Erste inhaltliche Veranstaltung weckt Interesse bei BesucherInnen!

 Während anderswo Menschen am Wochenende um 20:15Uhr – zur Primetime – den Fernseher einschalten, um sich durch Rosamunde Pilcher und Co. die Alltagssorgen von der Seele spülen zu lassen, startete am Sonntag zu eben dieser Zeit im Sozialen Zentrum Bochum der Vortrag „Geschichte und Gegenwart der Umsonstläden“.

Zuvor hatten viele der BesucherInnen die Zeit seit 17Uhr genutzt, um sich im neu eingerichteten KostNixLaden umzusehen und auch während Food Not Bombs wieder einmal leckeres, veganes Essen verteilten, ergaben sich einige interessante Gespräche. Menschen aus verschiedenen Städten und verschiedensten Zusammenhängen waren gekommen, viele auch um zu bleiben – zum Vortrag und der anschließenden Diskussion.
Während dem/der einen oder anderen gewisse Punkte des Umsonstladen-Prinzips vielleicht schon geläufig waren, konnte der Referent vor etwa 40 ZuhörerInnen (nach einigen einleitenden Worten zu dem in Bochum seit Juni 2008 bestehenden KostNixLaden) während des Vortrags, neben den grundlegenden Ideen, auch wesentlich unbekanntere Hintergründe beleuchten. So etwa die Aktivitäten der „Digger“, einer Gruppe politisch-künstlerischer AktivistInnen der 1960er Jahre, deren Zielsetzung die Entwicklung einer geldlosen Gegenkultur war und welche ab 1966 in San Francisco die ersten „Free Stores“ (Umsonstläden) gründeten. Sie nahmen mit ihrem Namen Bezug auf die „Diggers“ aus dem England des 17. Jahrhunderts. Im Zuge der englischen Revolution, wenige Wochen nach dem Sturz des Königs, hatten einige Gruppen von vorallem Landarbeitern, Pächtern und ehemaligen Soldaten, die sich zunächst „True Levellers“, später dann „Diggers“ nannten, Landstücke besetzt, um sie autonom zu bewirtschaften und sich so eine unabhängige Existenz zu sichern, ohne Verpflichtungen gegenüber irgendwelchen „Eigentümern“.

Im weiteren Verlauf ging der Referent dann auf den Ansatz der „Solidarischen Ökonomie“ ein, als Teil dessen praktischer Umsetzung die ersten Umsonstläden, wie bereits erwähnt, in den 60ern in den USA, in den 70ern in Australien und später dann in Europa entstanden. Der erste Laden in Toitschland wurde 1999 in Hamburg-Altona eröffnet, eingebettet in ein sich weiterentwickelndes Netzwerk unterschiedlicher waren- und erwerbsarbeitskritischer Projekte, welches ebenfalls kurz vorgestellt wurde.

Nach diesen streifenden Einblicken in die Weiten der Solidarischen- bzw. Umsonstökonomie, kam es denn auch zu einer interessanten Diskussion unter den Anwesenden. Themen dabei waren u.a. die Schwierigkeiten bei der Vermittlung des Umsonstprinzips oder die Gratwanderung zwischen kapitalistischer „Armutsverwaltung“ einerseits und utopischen Experimentierens andererseits. Das größte Interesse der Teilnehmenden konzentrierte sich auf die Frage nach dem Missbrauch des sozialen Angebots und inwieweit der vermeintlichen Gier und der Ausnutzung einzelner NutzerInnen entgegengewirkt werden kann. Hierzu haben die BetreiberInnen des KostNixLadens bisher keine einhellige Position entwickelt – im Gegensatz zu anderen Läden, die dieser „Schattenseite“ der Umsonstökonomie eine einfache „Drei-Teile-Regel“ entgegensetzen. Kritisch eingewandt gegen eine solche Regel wurde unter anderem, dass eine „Bedürfniskontrolle“ sich nicht durchführen ließe und dies auch nicht angestrebt werden sollte. Ebenso wenig vorstellbar sei auch eine angemessene Sanktionierung. Im Gegenzug wurde auch argumentiert, dass ein solches Projekt, welches dem Charakter nach ein Experiment mit offenen Resultaten ist, sich vielmehr über den Ge- und weniger über den Missbrauch definieren sollte. Einen offenen Raum für solche Fragen bietet im übrigen das Café, welches zusätzlich zu den Öffnungszeiten angeboten wird.

Als kleines Schmankerl zum Abschluss, der "March of the Levelers/The Digger’s Song" von Attila the Stockbroker – MP3

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